Rede des Sprechers für Kulturpolitik Ulf Prange MdL

Zu TOP Nr. 22 Abschließende Beratung Einrichtung eines Niedersächsischen Archivs für Künstlernachlässe Antrag der Fraktion der FDP – Drs. 17/4182 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur – Drs. 17/7432 während der Plenarsitzung vom 02.03.2017 im Niedersächsischen Landtag

Die Redebeiträge in Bild und Ton finden Sie unter: landtag-niedersachsen-tv.im-en.com/

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede,

das Thema Künstlernachlässe ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Fachöffentlichkeit gerückt. Künstlerinnen und Künstler bzw. ihre Erben stehen vor der Herausforderung, ihr Werk für die Nachwelt zu bewahren bzw. ihre Nachlässe zu regeln. Im Dezember 2015 hat der BBK ein Symposium zum Thema Nachlässe ausgerichtet, an dem circa 400 Personen teilgenommen haben. Das Thema ist also von großem Interesse. Es geht darum, Nachlässe ordnungsgemäß zu lagern, sie zu sichten und zu ordnen, sowie sie zugänglich zu machen.

Liebe Kollegen von der FDP, Sie greifen ein wichtiges Thema auf. Ihr Antrag geht aber leider in die falsche Richtung. Sie setzen im Wesentlichen auf den Bau eines Archivs, das von einer neu einzurichtenden Stiftung verwaltet werden soll. Zum einen wird es kaum möglich sein, Archivflächen zu schaffen, die alle Nachlässe werden aufnehmen können. Im Übrigen brauchen wir keine neue Stiftung. Dies würde letztlich zu Doppelstrukturen führen, die eine Menge Geld kosten.

Ich finde es ausgesprochen schade, dass Sie an diesem Weg auch in Ihrem Änderungsantrag festhalten und nicht bereit waren, dass – was zu dem Thema Künstlernachlässe auf Bundes- und Landesebene diskutiert wird – in Ihrem Antrag zu berücksichtigen. Sie wollen einen niedersächsischen Sonderweg einschlagen, der nicht zum Ziel führt.

Sie fordern den Bau eines Archivs, das als Schaumagazin konzipiert werden soll, ohne auch nur ein Wort zu den Kosten zu verlieren. Ein Gebäude für ein solches Schaumagazin kostet sicherlich mehrere Millionen Euro. Hinzu kommen die laufenden Kosten für Betrieb und Personal. Ferner ist die neu zu gründende Stiftung mit einem großzügigen Etat für Ankäufe auszustatten, jedenfalls dann, wenn – wie von Ihnen vorgeschlagen – auch renommierte Künstler in den Blick genommen werden sollen.

Zu den Kosten findet sich kein Satz in Ihrem Antrag. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Sie entsprechende Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht hätten. Ihr Antrag ist dann wohl doch eher ein Schaufensterantrag. Eine Konzeption haben Sie weder für die Stiftung noch für das Schauarchiv vorgelegt.

Für die SPD habe ich im Ausschuss klargestellt, dass wir uns so ein Neubauprojekt bereits aus Kostengründen nicht vorstellen können, erst recht nicht, wenn nicht einmal tragfähiges Konzept vorgelegt wird. Wir setzen auf bestehende Strukturen, d. h. auf vorhandene Museen, Galerien, Archive, Bibliotheken, Universitäten usw., wollen diese stärken.

Im Übrigen halte ich eine zentrale Aufbewahrung von Nachlässen auch deshalb für falsch, weil es auch aus fachlicher Sicht darum gehen muss, regionale bzw. dezentrale Lösungsansätze zu finden. Gerade bei Künstlern, die stark regional verwurzelt sind, gibt es doch vor Ort ein großes Interesse am Nachlass und die Expertise, um den Nachlass zu erforschen und aufzubereiten.

Sicherlich gibt es Nachlässe in Form von Schenkungen. Bei diesen wird es vor allem darum gehen, qualitativ, aber auch quantitativ auszuwählen, denn es wird sich nicht alles aufbewahren lassen. Hier geht es also um Kriterien für ein Auswahlverfahren.

Der Regelfall wird aber wohl der Ankauf von Nachlässen sein, die von Erben oder auch als Vorlässe von Künstlern angeboten werden. Hier bräuchte es dann eine finanzielle Ausstattung der Stiftung, um Ankäufe vornehmen zu können. Auch dazu finde ich nichts in Ihrem Antrag.

An dieser Stelle erlaube ich mir den Hinweis darauf, dass die Ankaufetats vieler Museen und anderer öffentlicher Akteure insbesondere in Ihrer Regierungszeit deutlich runtergefahren wurden. Der Ausschuss war kürzlich im Sprengel Museum. Dem Museum standen in den letzten Jahren keine Landesmittel für Ankäufe zur Verfügung. Erst im letzten Jahr wurde dies – von Rot-Grün – geändert.

Ich stelle fest, dass weniger Geld von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt wird für Ankäufe, für Kunst am Bau usw. Wir müssen hier die Debatte führen, wo wir Prioritäten setzen. Ich bin der Auffassung, dass der Ankauf von Künstlernachlässen nicht zu Lasten von jungen Künstlern gehen darf. Wir müssen beides im Blick haben.

Unabhängig von Ihrem Antrag beschäftigen wir – Rot-Grün – uns bereits mit dem Thema Künstlernachlässe. Die Landesregierung hat auf Bundesebene, aber auch vor Ort einiges angeschoben.

Zum Sachstand: Eine Länderumfrage des Landes Brandenburg aus 2013 hat ergeben, dass die Bundesländer ganz überwiegend im Rahmen ihrer Kulturförderung keine Möglichkeiten haben, die Aufarbeitung privater Künstlernachlässe kontinuierlich finanziell zu unterstützen. Die Errichtung von Archiven für Künstlernachlässe sei die Ausnahme; lediglich das Saarland strebe eine institutionelle Förderung an.

Bereits Anfang 2015 hat das MWK zum Thema „Umgang mit Künstlernachlässen“ einen Round Table mit Experten und Akteuren durchgeführt. Daneben hat Niedersachsen das Thema auf die Agenda des Kulturausschusses der Kultusministerkonferenz gebracht. Dort wurde auf Vorschlag Niedersachsens eine länderoffene Adhoc-AG zum Thema „Umgang mit Künstlernachlässen“ eingesetzt mit dem Ziel, eine Bestandsaufnahme zu erstellen und länderübergreifende Empfehlungen zum Umgang mit Künstlernachlässen zu erarbeiten. Im Ausschuss wurden wir fortlaufend über die Beratungen und Ergebnisse beider Initiativen unterrichtet.

In der Adhoc-AG wurde zunächst der Bedarf geklärt. Für renommierte Künstler besteht nach Einschätzung der AG kaum Handlungsbedarf. Diese sind in der Regel bereits gut in Museen oder über Galerien vertreten. Auch die Aufnahme des Schriftnachlasses sei bei diesem Personenkreis in der Regel unproblematisch. Handlungsbedarf wurde ausgemacht für regional oder lokal bedeutsame Künstler.

In der Arbeitsgruppe bestand ferner Einigkeit darüber, dass keine neuen Institutionen geschaffen werden sollen, da es bereits ausreichend Institutionen gibt. Die Experten haben also dem Vorschlag der FDP, eine neue Stiftung zu gründen, eine klare Absage erteilt.

Seitens der Arbeitsgruppe wurde stattdessen vorgeschlagen, bestehende Strukturen zu unterstützen und ein bundesweit aktives Beratungsangebot zu etablieren für Künstler, Erben und Ehrenamtliche. Ein Umsetzungs- und Finanzierungskonzept muss noch erarbeitet werden.

Daneben wurde auf Expertenebene über die digitale Erfassung und Bewahrung von Künstlernachlässen diskutiert. Der Digitalisierung kommt auch nach meiner Einschätzung eine wesentliche Rolle zu. Die neuen Medien bieten hier ein großes Potenzial. Die Zugänglichmachung über Online-Formate sprechen auch Sie in Ihrem Antrag an. In diesem Punkt sind wir uns – glaube ich – einig. In der Adhoc-AG werden zu den Themen Digitalisierung und Beratung Handlungsempfehlungen für alle Bundesländer erarbeitet.

Diesen Prozess wollen wir abwarten und die Ergebnisse dann für Niedersachsen auswerten.

Auf niedersächsischer Ebene hat der vom MWK initiierte Round Table gearbeitet. Neben einer Bestandaufnahme für Niedersachsen ist über Handlungslinien gesprochen worden. Auch hier wurde der Schwerpunkt auf Digitalisierung, Information und Beratung gesetzt.

Es geht darum, eine digitale Plattform zu schaffen, die für jeden zugänglich und einheitlich beliefert werden kann. Es geht also um Standardisierung. Neben der Schaffung von digitaler Infrastruktur ist als weitere öffentliche Aufgabe die Erfassung niedersächsischer Künstler, die dazu selbst nicht mehr in der Lage sind, benannt worden. So könnte dann eine Art digitale Galerie entstehen. Wo und wie die digitale Erfassung organisiert soll, ist noch nicht geklärt. Wir stehen in der Tat ganz am Anfang.

Der Round Table hat ferner einen spannenden Vorschlag in Bezug auf junge Künstler erarbeitet. Unter Einbeziehung der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig soll jungen Künstlern ermöglicht werden, für ihre Nachlässe digital vorzusorgen. Es soll ein einheitliches Konzept für die digitale Sicherung von Nachlässen entwickelt werden.

Abschließend habe ich festzustellen, dass das Thema „Umgang mit Künstlernachlässen“ bei Rot-Grün in guten Händen ist. Das Thema ist uns wichtig. Zurzeit wird auf Bundes- und Landesebene beraten. Dabei werden die Punkte Digitalisierung, Beratung und Stärkung vorhandener Strukturen in den Blick genommen. Die Einrichtung eines Zentralarchivs mit Ausstellungsmöglichkeiten wird weder von Expertenseite befürwortet, noch ist dieser Weg finanzierbar. Im Übrigen kann eine zentrale Lösung dem Flächenland Niedersachsen nicht gerecht werden.

Die SPD wird das Thema weiterverfolgen. Die Empfehlungen der Arbeitskreise werden wir zu gegebener Zeit bewerten und das Thema dann wieder im Ausschuss thematisieren.