Rede während des Plenums zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes“

Rede von Ulf Prange, Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur, zu TOP 9: Erste Beratung "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes" Gesetzentwurf der Fraktion der FDP (Drs. 17/7673)

Die Redebeiträge in Bild und Ton finden Sie unter: landtag-niedersachsen-tv.im-en.com/

Es gilt das gesprochene Wort.

„Anrede,
mit dem Antrag verfolgen Sie das Ziel, den Diplomjuristen wiedereinzuführen oder besser gesagt, die akzessorische Verleihung des Diplomgrades für Juristen, die die erste juristische Staatsprüfung bestanden haben, wieder zu ermöglichen.

Der Antrag kommt zu spät. Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung haben dazu bereits einen Vorschlag erarbeitet, der auch mit den Fachschaften abgestimmt ist und den wir jetzt kurzfristig umsetzen werden.

Konkret werden wir den Universitäten ermöglichen – zunächst befristet bis 2025 –  den Titel Diplomjurist weiter zu verleihen. Bis dahin werden wir uns für eine bundesweite Vereinheitlichung der Abschlüsse im Bereich Rechtswissenschaften einsetzen und das Ergebnis dann landesrechtlich umsetzen. Was nach 2025 geschieht bleibt abzuwarten. Entweder gibt es bis dahin eine Einigung oder die Regelung wird über 2025 hinaus verlängert. Auch dies ist denkbar.

Für diejenigen, die aktuell oder in den nächsten Jahren Jura studieren schaffen wir jedenfalls Planungs- bzw. Rechtssicherheit und darauf kommt es an.

Mit der befristeten Wiedereinführung des Diplomjuristen ändern wir die mit der letzten – Anfang 2016 in Kraft getretenen – NHG-Novelle geschaffene Regelung. Der fortgeschrittenen Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses wurde durch die Anpassung von Übergangsvorschriften Rechnung getragen. Dadurch war den Universtäten auch die Möglichkeit genommen worden, Studierenden, die die erste juristische Staatsprüfung bestanden haben, daneben ein Diplom zu verleihen.

Dagegen gab es Widerstand aus den Fachschaften. Diese Kritik nehmen wir zum Anlass, das Diplom – zunächst befristet – wieder einzuführen.

Im Bereich der Rechtswissenschaften gibt es – wie auch in der  Medizin – weiterhin Staatsprüfungen. Praktisch alle anderen Fächer sind mittlerweile auf die gestufte Studienstruktur – also Bachelor und Master – umgestellt worden.

Seit den 2000er Jahren verleihen viele juristische Fakultäten nach Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung den akademischen Grad Diplom-Jurist/in, teils automatisch, teils auf Antrag.

Als Grund für die Einführung wird oft genannt, dass gerade im Ausland unser Staatsexamen kaum bekannt ist und so eine Schlechterstellung deutscher Absolventen droht.

Die meisten Fakultäten verleihen den Grad auch noch nachträglich und auf Antrag für frühere Absolventen der ersten juristischen Staatsprüfung.

Ich habe in Berlin studiert, habe 2001 mein 1. Staatsexamen gemacht. Etwas später wurde in Berlin der Diplomjurist eingeführt. Ich bin damals auch angeschrieben und darauf hingewiesen worden, dass auch nachträglich das Diplom verliehen werden kann. Ich habe die Möglichkeit seinerzeit nicht in Anspruch genommen. Damals hatte das keine große Relevanz, hatte der Diplomjurist kaum Renomee. Das mag auch daran gelegen haben, dass der Grad des Diplomjuristen gerade im Osten – ich habe an der HU studiert – assoziiert wurde mit der DDR. Dort wurde der Diplomjurist seit den 1960er Jahren vergeben, war dort der Regelabschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums und stellte bereits den zur Ausübung des Richteramtes berechtigenden Abschluss dar.

Alternativ zum Diplom-Jurist verleihen manche Fakultäten nach erfolgreicher erster Staatsprüfung den Grad eines Magister juris (Mag. jur.) oder den Grad des Jurists (Univ.). Daneben gibt es den akademischen Grad Diplom-Wirtschaftsjurist/in (Dipl. jur. oec.) bzw. Diplom-Wirtschaftsjurist/in (FH), der nach Abschluss eines eigenständigen Studiums vergeben wird. Weitere Titel werden vergeben etwa der Master of Laws (LL.M.) oder der Bachelor of Laws (LL.B.). Auch letztere sind eigenständige Abschlüsse. Ich halte diese Entwicklung für problematisch, insbesondere im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse.

Klarzustellen ist, dass die in den letzten Jahren neu geschaffenen akademischen Grade weder die Einstellung in den höheren juristischen Staatsdienst noch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ermöglichen. Dazu ist weiterhin das zweite Staatsexamen erforderlich.

Diejenigen Juristen, die die klassischen Berufe in der Justiz und der Anwaltschaft im Blick haben, werden in der Regel auf das Diplom nicht angewiesen sein.

Interessant ist das Diplom für diejenigen, die – ohne die zweite Staatsprüfung abzulegen oder zu bestehen – in anderen Bereichen beruflich Fuß fassen wollen. Auch für eine Tätigkeit im Ausland mag das Diplom hilfreich sein.

Die offizielle Bezeichnung des geprüften Rechtskandidats nach Bestehen der ersten Staatsprüfung ist in der Tat sperrig und für Nichtjuristen wenig aussagekräftig. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Adressaten – Arbeitgeber, Personalabteilungen etc. – jedenfalls bei größeren Unternehmen wissen, was unter einem Staatsexamen zu verstehen ist.

Dennoch das Berufsbild des Juristen hat sich geändert, ist vielschichtiger geworden. Dem muss Rechnung getragen werden durch einen zusätzlichen Titel bzw. eine zusätzliche Berufsbezeichnung neben dem Staatsexamen. Denn das 2. Staatsexamen ist nicht mehr für alle Jurastudierenden der Regelabschluss. Der Arbeitsmarkt hat sich insoweit verändert. Ein Diplom oder ein entsprechender Titel kann hier die Chancen für Juristen mit erstem Staatsexamen verbessern.

Ob es die Bezeichnung Diplomjurist sein muss, ist in Zeiten, in denen ein Diplom selbst in den technischen Studiengängen, in denen es früher verliehen oder für die es erfunden wurde, längst durch den Master ersetzt wurde, fraglich. Letztlich ist der Diplomjurist ein Anachronismus.

Ziel sollte es daher sein, auch für den Bereich der Rechtswissenschaften einen Abschluss/eine Bezeichnung zu finden, der sich in die durch den Bologna-Prozess geschaffene Systematik besser einfügt, etwa die Bezeichnung eines Masters. Dies wird man aber bundeseinheitlich regeln müssen. Im Bereich der Abschlüsse bzw. Titel für Juristen haben wir einen Flickenteppich. Das hatte ich bereits aufgezeigt. Eine Vereinheitlichung wäre hilfreich, auch um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen. Dies würde es für Arbeitgeber und Bewerber*innen auf dem Arbeitsmarkt gleichermaßen leichter machen.

Unabhängig von der Wiedereinführung war die Abschaffung des Diplomjurists grundrechtskonform.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Grundrechtsverletzung verneint. Die Aufnahme des Berufs als Jurist nach erfolgter erster Staatsprüfung werde durch das Fehlen der Diplomierung nicht spürbar beeinträchtigt. Der Wunsch nach einem griffigeren Begriff als der Berufsbezeichnung „Jurist“, „Rechtskandidat“ oder „geprüfter Rechtskundiger“ genüge nicht, eine Schutzpflicht nach Art. 12 I GG zu begründen. Das Unterbleiben einer Graduierung erschwere die Wahl oder die Ausübung des Berufs nicht, weil die Berufszugangssituation in erster Linie und insbesondere aus Sicht des Arbeitgebers nicht von einer Graduierung, sondern von der Qualität der Hochschulausbildung abhängt. Mit dem Zeugnis über die erste juristische Staatsprüfung könne dieser Nachweis geführt werden. Auch für die Anerkennung im Ausland gebe es praktizierte Verfahren, nämlich die Erteilung einer Bescheinigung durch die ZAB (Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen).

Relativ aktuell, nämlich 2015, hat das BVerwG so entschieden.

Auf Bundesebene wird derzeit an einer Vereinheitlichung des Jura-Studiums gearbeitet. Dabei geht es schwerpunktmäßig um eine Harmonisierung der Studieninhalte. Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang auch über eine Vereinheitlichung der Abschlüsse zu sprechen. Einen entsprechenden Impuls wird es aus Niedersachsen geben.

Ihr Antrag – liebe Kollegen*innen von der FDP – greift zu kurz, ist letztlich eine Rolle rückwärts. Wenn wir über den Titel Diplomjurist diskutieren, sollten wir die Chance nutzen, uns für eine Vereinheitlichung auf Bundesebene einzusetzen.

In der Zwischenzeit sollen keine Nachteile in und für Niedersachsen entstehen. Wir wollen auf Nummer sicher gehen, werden den Diplomjurist befristet wiedereinführen. So verhindern wir eine Benachteiligung unserer Universitäten gegenüber anderen Standorten und eine Benachteiligung unserer Studierenden gegenüber Studierenden aus anderen Bundesländern, die das Diplom weiterhin vergeben.

Vielen Dank!“