Rede zum Thema: „Wertvolle Rohstoffe nutzen – Kannibalismus verhindern“

Rede von Ulf Prange MdL, Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zu TOP 24: Abschließenden Beratung "Wertvolle Rohstoffe nutzen - Kannibalismus verhindern - Landesregierung muss sich bei der EU für die Zulassung von tierischen Proteinen in der Fütterung einsetzen" Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 17/5144; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung (Drs. 17/7614)

Die Redebeiträge in Bild und Ton finden Sie unter: landtag-niedersachsen-tv.im-en.com/

Es gilt das gesprochene Wort.

„Anrede,
mit ihrem Antrag fordert die CDU eine weitere Lockerung des im Zusammenhang mit der BSE-Krise auf EU-Ebene eingeführten Fütterungsverbots für tierische Proteine. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass dadurch die Abhängigkeit von Sojaimporten verringert würde und dass dadurch Schwanzbeißen und Federpicken eingedämmt werden könne.

Im Rahmen der Unterrichtung im Ausschuss ist seitens der Landesregierung klargestellt worden, dass der Einsatz von tierischen Proteinen in der Tierernährung bei Schweinen und Geflügel begrüßt wird.

Auch die Regierungsfraktionen haben sich grundsätzlich für eine Lockerung ausgesprochen.

Der Änderungsvorschlag von rot-grün, den wir heute beschließen, stellt dies nochmal ausdrücklich klar.

Die Verfütterung von tierischen Proteinen ist nach EU-Recht verboten.

Es gibt erste Lockerungen des Verfütterungsverbotes. Ab Mitte 2013 ist die begrenzte Verwendung von verarbeiteten tierischen Proteinen in Fischfutter wieder erlaubt unter strengen Vorgaben zur Herstellung, Lagerung, Transport und Kennzeichnung von Fischfutter mit verarbeiteten tierischen Proteinen.

Keine Zustimmung fand bislang die Wiederzulassung der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen an Schweine und Geflügel. Diese ist weiterhin verboten.

Nach Einschätzung der Landesregierung ist damit zu rechnen, dass die EU-Kommission eine weitere Lockerung der Verfütterungsvorschriften vorschlagen wird, vermutlich zunächst die Zulassung der Verfütterung von Geflügel-Proteine an Schweine.

Soweit dem Vorschlag eine wissenschaftliche Sicherheitsbewertung zugrunde liegt, spricht nichts gegen eine Lockerung.

Anlass für das auf EU-Ebene beschlossene Verbot war die BSE-Krise. Auch wenn die Anzahl der BSE-Fälle in Europa heute gegen Null geht, muss die Sicherheit unserer Lebensmittel vorgehen.  Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag nochmal ausdrücklich festgeschrieben, dass gesundheitliche Risiken in Bezug auf BSE ausgeschlossen werden müssen.

Einig sind wir darüber, dass eine Verfütterung von tierischen Proteinen (PAP) an Schweine und Geflügel die Abhängigkeit von Sojaimporten verringert bzw. verringern kann. Dies ist sinnvoll, auch vor dem Hintergrund von Importen von genverändertem Soja. Des Weiteren würde die Ressourceneffizienz erhöht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Effekte eher überschaubar sind. Insoweit verweise ich auf die Berechnungen des Deutschen Verbandes Tiernahrung e.V., die der Verband auf seiner Homepage veröffentlicht hat.

Entgegen der Situation vor dem EU-weiten Verfütterungsverbot  gestalten sich danach die Rahmenbedingungen heute wesentlich komplexer. Nur tierische Bestandteile der Kategorie 3 stehen für die Nutztierverfütterung zur Verfügung stehen. Als Rohmaterial standen hier zuletzt in Deutschland rund 1,5 Mio. Tonnen zur Verfügung. Daraus wurden knapp 400.000 Tonnen tierische Proteine und ca. 290.000 Tonnen Tierfett hergestellt. Zusätzlich fielen etwa 24.000 Tonnen Phosphat aus Knochen an.

Die genannten Mengen wären bei einer Freigabe jedoch nicht allein für die Nutztierfütterung verfügbar. Bereits heute gelangen größere Mengen in die Herstellung von Heimtiernahrung. Tierische Fette werden in nicht unbedeutenden Mengen als technische Fette und in der Chemie eingesetzt.

Die Konkurrenz zu anderen Verarbeitungssektoren ist also groß.

Zieht man von den verbleibenden Mengen die Produkte aus der Rindfleischgewinnung ab, denn es sollen nur artenreine Schlachtabfälle aus der Schweine- und Geflügelfleischproduktion verwendet werden, dann erschließt sich Futtermittelherstellern und Landwirten eine Rohstoffquelle von rund 120.000 Tonnen tierisches Protein für den Nutztierfuttersektor. Das entspricht einem Sojaschrotäquivalent von ca. 140.000 Tonnen, etwa 2,8 % des Gesamtverbrauches an Soja in Deutschland.

Hinzu kommen weitere Probleme bei der Verarbeitung, da eine strikte Trennung von Schweine- und Geflügelmehl von der Schlachtung bis zum Mischfutter eingehalten werden müsste.

Denn nur eine klare Trennung der Produktionswege von PAP der einzelnen Tierarten stellt sicher, dass immer nur Produkte einer anderen Tierart verfüttert werden. Nur so kann Kannibalismus ausgeschlossen werden. Um dies wirksam kontrollieren zu können, bedarf es entsprechender Nachweismethoden. Bislang gibt es eine solche Nachweismethode nur für Wiederkäuerproteine und nicht auch für hoch erhitztes Schweine- und Geflügelprotein in Futtermitteln.

Die Anforderungen, die nach unserer Auffassung an eine Verfütterung von tierischem Eiweiß zu stellen sind, haben wir in unserem Änderungsantrag zusammengefasst.

Insbesondere in einem Punkt haben wir einen Dissens mit der Opposition.

Im Antrag der CDU werden als Argument für die Verfütterung von tierischem Eiweiß ausdrücklich Tierwohlaspekte genannt. Dort heißt es, dass Schwanzbeißen und Federpicken dadurch eingedämmt werden können.

An diesem Punkt kommen wir nicht zusammen. Ich will nicht ausschließen, dass es durch den Einsatz tierischer Proteine tatsächlich zu Verbesserungen beim Tierwohl kommen kann. Tierische und pflanzliche Proteine haben unterschiedliche Aminosäuremuster. Positive Auswirkungen durch die Verfütterung von tierischen Eiweißen will ich daher nicht ausschließen. Es entspricht auch den Ernährungsgewohnheiten von Allesfressern wie Schweinen, tierische Proteine als Futter zu erhalten.

Die hier in Rede stehenden Phänomene hat es aber auch vor dem Verfütterungsverbot gegeben. Wissenschaftlich nachgewiesen ist eine positive Wirkung jedenfalls nicht. Die Behauptung, dass tierische Proteine ein Schwanzbeißen bzw. Federpicken verhindern, ist so nicht haltbar, ist jedenfalls nicht belegt.

Fest steht, dass die Phänomene des Schwanzbeißens und Federpickens multifaktorell sind. Ich halte es für problematisch, dass Sie dies in Ihrem Antrag nicht klarstellen. Die Fokussierung auf tierische Eiweiße hat die falsche Signalwirkung. Sie suggerieren hier, bewusst oder unbewusst, dass es damit getan ist, dass Futter zu verändern.

Tatsächlich muss an vielen Stellschrauben gearbeitet werden, insbesondere auch an den Haltungsbedingungen. Sicherlich spielen auch andere Faktoren wie Genetik, Futter usw. eine Rolle. Davon, wie man Schwanzbeißen verhindert, konnte sich der Ausschuss in Finnland überzeugen. Auch das Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik liefert wertvolle Hinweise, auch dahingehend was nötig, möglich, finanzierbar und politisch machbar ist.

Wir in Niedersachsen sind mit dem Tierschutzplan auf einem guten Weg, den wir fortsetzen sollten, statt uns auf Nebenschauplätzen zu verkämpfen. Bekennen Sie sich dazu.

Aber in der Sache selbst, also wie mit  tierischen Proteinen umgegangen werden soll, sind wir uns weitestgehend einig. Die weitere Lockerung des EU-Verbots kann, wenn die erforderlichen Sicherheitsanforderungen eingehalten werden, eine sinnvolle Ergänzung sein.

So viel Konsens ist im Agrarausschuss ja eher selten. Für einen geeinten Antrag hat es dennoch leider nicht gereicht. Leider sind Sie unserem Änderungsantrag im Ausschuss nicht gefolgt. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen zu.

Vielen Dank.“