Grußwort von Ulf Prange zur Premiere des Films von Werkstattfilm „Zwischen Himmel und Hölle“ 120 Jahre VfB-Oldenburg

Grußwort von Ulf Prange zur Premiere des Films von Werkstattfilm „Zwischen Himmel und Hölle“ 120 Jahre VfB-Oldenburg (22.10.2017)

Meine Damen und Herren,

zwischen Ihnen und der heutigen Filmpremiere, auf die wir alle hin fiebern, stehe nur noch ich. Ich weiß um diese Verantwortung, werde mich jetzt schon einmal bei der Begrüßung kurzfassen, schließe mich kurz und knapp meinen Vorrednern an.
Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, ein Grußwort sprechen zu dürfen. Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn ich bin Fan und zwar in zweierlei Hinsicht: Fußball- und VfB-Fan seit meiner Jugend, aber auch Fan von Werkstattfilm und der großartigen Arbeit – lieber Farschid – die Du mit Deinem Team für Oldenburg leistest.

Letzten Sonntag war ich im Marschwegstadion bei den Blauen und habe bei bestem Herbstwetter das 4:0 gegen Eutin gesehen. Aber nicht nur das Wetter, sondern auch die Stimmung waren gut und der VfB hat vor leider nur 1300 Zuschauern sehr ansehnlichen Fußball gespielt und konnte sich so erfreulicherweise etwas vom Tabellenende absetzen. Für mich persönlich stand Sonntag dann im Nachgang ja auch noch eine nicht ganz unwesentliche Entscheidung an, die Landtagswahl. Von daher war der Nachmittag im Stadion eine willkommene Ablenkung und letztlich auch ein gutes Omen. Abends haben wir „Roten“ dann ja auch einen schönen Sieg eingefahren.

Werkstattfilm ist das visuelle Gedächtnis unserer Stadt. Jeder Oldenburger, der sich für unsere Stadt interessiert, wird vermutlich mindestens einen Kalender, eine DVD oder eins Eurer Bücher sein Eigen nennen.

Was Werkstattfilm leistet ist für mich beeindruckend, zumal die Arbeit ehrenamtlich geleistet wird. Die Bandbreite und Auswahl Eurer Themen, die Qualität der Produkte und die Tiefe Eurer Recherchearbeit kann sich wirklich sehen lassen. Heute geht es um die 120-jährige Geschichte des Traditionsvereins VfB, ihr habt in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum der Fußgängerzone mit einer fantastischen Ausstellung begleitet und im letzten Jahr habt ihr mit dem Film – über den in der Stadt ziemlich in Vergessenheit geratenen Nazi-Prozess „Wir glaubten die Sonne geht nicht wieder auf“ – große Aufmerksamkeit erzielt. Hier habt Ihr Oldenburger Stadtgeschichte in einen Kontext gestellt mit der Nazi-Zeit und deren Aufarbeitung in der Nachkriegszeit.

Die Entwicklung von Werkstattfilm hat durch die neuen Räumlichkeiten in der Wallstraße in den letzten Jahren nochmal einen zusätzlichen Schub bekommen. Die Anmietung war ein Glücksfall. Dort ist ein Kleinod entstanden, das jeden Cineasten das Herz aufgehen lässt.

Zurück zum VfB: Lieber Klaus Berster, Dich als Vorredner zu haben, macht es nicht einfach. Du hast den VfB über lange Jahre geführt, warst an der Rettung des Vereins beteiligt und kannst natürlich viel mehr Anekdoten über den Verein und das Vereinsleben erzählen, als ich das könnte. Im VfB mit kleinem f bin ich ja nur Fan und einfaches Mitglied. Immerhin durfte ich die ehemalige Box-Abteilung, den seit Anfang der 2000er Jahre eigenständigen VFB mit großem F, mehrere Jahre leiten. Aus dieser Zeit kennen wir uns und Du hast auch Deine abtrünnigen Boxer nicht im Stich gelassen, sondern uns auch in der neuen Rechtsform unterstützt. Dafür ganz herzlichen Dank.

Aus meiner Zeit beim Boxverein weiß ich, dass der VfB nicht nur ein Sportverein ist. Auch nach der Trennung haben wir uns als Vfber gefühlt, sind emotional mit dem Stammverein eng verbunden.

Der VfB ist mehr als ein Sportverein: Der Verein steht für Tradition, für Zusammenhalt und für Identifikation. Um diesen Verein ranken sich viele Geschichten und Legenden. Der VfB ist ein Kultverein. Und das kann man auch mit noch so viel Millionen nicht kaufen – nicht im Fußball und erst recht nicht in anderen Sportarten.

Ich bin immer wieder überrascht, wie oft ich außerhalb von Oldenburg auf den VfB angesprochen werde. Viele fragen: Wo spielt Ihr jetzt eigentlich? Wie läuft es? usw. Der VfB ist wie in der Vorankündigung zum Film geschrieben, tatsächlich ein schlafender Riese. Der Verein hat eine große Identifikationskraft und das weit über Oldenburg hinaus.

Oldenburg ist mit seinen mehr als 100 Vereinen eine Sportstadt, ist aber auch immer noch eine Fußballstadt. Wenn zum Halbfinale im Niedersachsen-Pokal – wie vor zwei Jahren – fast 7000 Menschen ins Marschwegstadion pilgern, ist das schon etwas Besonderes. Das gibt es nicht überall.

Ich habe mein erstes Spiel in Donnerschwee gesehen, zusammen mit meinem Vater. Das war Mitte der 80er Jahre. Da war ich 10 Jahre und die Atmosphäre im reinen Fußballstadion hat mich mitgerissen. In der Zeit waren wir auch manchmal in Bremen. Dort war man aber viel weiter weg vom Geschehen.

Mein Vater hatte damals bei der Polizei einen Kollegen, der beim VfB spielte, einen gewissen Michael Schulz, der später in der Bundesliga bei Kaiserslautern, Dortmund und später Bremen und sogar bei den Olympischen Spielen Furore machen sollte.

Da gab es für meinen Vater und mich natürlich manchmal auch Freikarten. Ich erinnere mich an viele tolle Spiele in Donnerschwee, spannende Partien, Relegationsspiele und es gab sogar Flutlicht. Auch beim letzten Spiel in Donnerschwee gegen Freiburg war ich dabei. Für mich war das mit Wehmut verbunden und ich war stinksauer, dass die Stadt das Stadion damals nicht gekauft hat. Zu diesem Punkt hatte ich dann auch viele Auseinandersetzungen mit meinem Vater, der zu der Zeit für die SPD im Stadtrat saß, die seinerzeit bekanntlich auf das Marchwegstadion gesetzt hat.

Die schönste VfB-Zeit für mich begann dann aber doch etwas später im eigentlich so ungeliebten Marschwegstadion. Zu Oberstufen- und Zivildienstzeiten habe ich kaum ein Heimspiel verpasst, war auch bei vielen Auswärtsspielen. Mein persönliches Highlight war, dass mit Andi Boll der Bruder meines besten Schulfreundes im Zweiliga-Kader stand, dass der VfB einen Spieler in seinen Reihen hatte, mit dem ich als Jugendlicher selbst auf dem Bolzplatz gestanden hatte. Und sportlich ist in der Zeit ja auch richtig viel passiert. Ich erinnere mich: an den Aufstieg gegen Tennis Borussia Berlin, als ein Elfmeter gegen den VfB wiederholt werden musste und Hans-Jörg Butt im zweiten Anlauf den Elfer abwehren konnte, der Elfmeter musste wiederholt werden, an die Aufstiegsfeier auf dem Marktplatz, an das Heimspiel gegen Schalke im Weserstadion, an das Auswärtsspiel in Kaiserslautern – der Gästefanblock war rappelvoll und zur Halbzeit führte der VfB mit 2:0, auch wenn das Spiel dann 6:2 verlorenging, war das ein einmaliges Erlebnis – und dann natürlich der knapp verpasste Aufstieg in die 1.Liga.

Und heute: Nach einer langen Durststrecke hat der VfB in den letzten Jahren immer wieder auch sportlich Ausrufezeichen gesetzt. Aber es gab und gibt auch immer wieder Rückschläge, wie in dieser Spielzeit. Aktuell steht die Stadiondebatte im Fokus. Auch da kann der Film vielleicht Beitrag leisten, indem er die Tradition des VfB in Erinnerung ruft. Eine Machbarkeitsstudie wurde auf den Weg gebracht. Fest steht, dass Investitionen in den Marschweg teuer und wegen zahlreicher Einschränkungen bei Nutzung und Erreichbarkeit auch wenig sinnvoll sind. Die Debatte kann man gut umschreiben mit „Wer war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Für den VfB heißt das: Erst der sportliche Erfolg oder erst die Rahmenbedingungen, um den sportlichen Erfolg zu ermöglichen?

Ganz besonders freut mich, dass der VfB und seine Fans bei einem Thema in einem Atemzug genannt werden mit Vereinen wie München und Schalke; nämlich dann, wenn es um das soziale Engagement und den Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Homophobie geht.

Auch wenn es beim VfB manchmal zu Auseinandersetzungen mit anderen Fans und/oder der Polizei kommt, bin ich stolz darauf, dass wir sehr viele Fans haben, die Haltung zeigen. Mit der Verleihung des Julius-Hirsch-Preises wurde dieses Engagement auch vom DFB gewürdigt.

Hier steht der VfB in einer Reihe mit den ganz großen Vereinen, die ich eben genannt habe. Hier möchte ich insbesondere den Mitstreitern vom „VfB für Alle“ danken, die sich bei diesen Themen so großartig engagieren und ein würdiger Preisträger sind. Auf seine Fans kann der Verein wahrlich stolz sein.

Ich wünsche uns allen einen schönen Abend, freue mich auf den Film und danke für Ihre Aufmerksamkeit.