Es gilt das gesprochene Wort
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
im Koalitionsvertrag haben die Regierungsfraktionen vereinbart, die rechtliche Betreuung zu stärken.
Konkret heißt es dort: „ Wir schätzen die Arbeit der beruflichen und ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer sowie der Betreuungsvereine und wollen diese weiter fördern. Die Zuständigkeit für das Betreuungswesen werden wir im Justizministerium zusammenfassen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Betreuervergütung angepasst wird. Die Anforderungen im Bereich des Betreuungswesens steigen stetig, daher wollen wir die Qualifizierungsmaßnahmen ausbauen.“
Die zur rechtlichen Betreuung getroffene Vereinbarung konkretisieren wir mit dem vorliegenden Antrag, bringen mit dem Antrag strukturelle und finanzielle Verbesserung auf den Weg. Dabei nehmen wir insbesondere die Situation der Betreuungsvereine in den Blick.
Die Betreuungsvereine in Niedersachsen, das heißt: 52 anerkannte Vereine, 400 Mitarbeiterinnen, 10.000 Betreuungen und 25 Jahre Erfahrung.
Mit ihrer Kampagne fordern die Betreuungsvereine unter dem Motto „Wir sorgen für Dich. Sorg Du für uns.“ zu Recht bessere Bedingungen ein. Denn gerade die Betreuungsvereine leisten eine wichtige und unverzichtbare Arbeit für unser Gemeinwesen.
Dafür möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion ganz herzlich bei den Vereinen und ihren Mitarbeitern bedanken.
Betreuungsvereine übernehmen nicht nur Betreuungen, sondern sie unterstützen auch im Rahmen der sogenannten Querschnittsaufgaben ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer. Sie kümmern sich um die Gewinnung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern. Sie sorgen vor Ort in der Fläche für eine Vernetzung der Akteure und einen Erfahrungsaustausch. Sie bieten verschiedene Informations-, Beratungs- und Fortbildungsangebote an zur rechtlichen Betreuung, aber auch zu Vollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen. Sie stehen für Qualitätssicherung im Bereich der rechtlichen Betreuung und vermeiden durch ihre Arbeit unnötige Betreuungen.
Im Bereich der sozialen Arbeit haben wir grundsätzlich das Problem, dass diese nicht immer angemessen entlohnt wird. Wir wollen es den Betreuungsvereinen ermöglichen tarifgerecht zu vergüten. Dann benötigen die Vereine aber auch eine angemessene finanzielle Ausstattung.
Bedingt durch den demographischen Wandel, durch die Zunahme von Erkrankungen aber auch durch veränderte Lebensentwürfe – viele Angehörige können sich aus beruflichen Gründen nicht kümmern oder weil sie nicht vor Ort bei den Eltern oder Verwandten leben – steigt der Bedarf kontinuierlich. Hinzu kommt, dass viele Betreuungen komplexer geworden sind.
Bereits in der letzten Legislatur hat sich der Landtag intensiv mit der Situation der Betreuungsvereine und der Berufsbetreuer in Niedersachsen beschäftigt. Dazu wurde eine gemeinsame Entschließung aller vier im Landtag vertretenen Fraktionen auf den Weg gebracht. Inhalt war unter anderem eine Erhöhung der Betreuervergütung durch den Bundesgesetzgeber. Davon hätten Berufsbetreuer und Vereine gleichermaßen profitiert.
An diesem Punkt sind wir aber nicht weiter gekommen. Denn es gab dafür keine Mehrheiten im Bundesrat.
Im Land ist es gelungen, über das seinerzeit für die Betreuungsvereine zuständige Sozialministerium eine Erhöhung der Mittel für die von den Betreuungsvereinen geleistete Querschnittsarbeit um 20 Prozent zu erreichen.
Trotz dieser Erhöhung ist die finanzielle Situation der ca. 50 Betreuungsvereine in Niedersachsen angespannt. Insoweit verweise ich auf die eingangs genannte Kampagne der niedersächsischen Betreuungsvereine. Auf der Homepage der Kampagne kommen Betreuerinnen und Betreuer aus ganz Niedersachsen zu Wort.
Ich erlaube mir eine Mitarbeiterin eines Betreuungsvereins zu zitieren: „Die Betreuerinnen und Betreuer in unseren Betreuungsvereinen führen mittlerweile mit einer Vollzeitstelle bis zu 54 rechtliche Betreuungen: Unsere Betreuten sind zwischen 19 und 94 Jahre alt, … Viele unserer Betreuten haben eine psychische Erkrankung und sind auf unsere umfassende Unterstützung angewiesen. … Persönliche Kontakte sind häufig nicht in dem Umfang möglich, wie die Betreuerinnen und Betreuer und auch unsere Betreuten es sich wünschen. Von der Grundidee, dass das Betreuungsrecht eine persönliche Betreuung ermöglicht, ist vieles nicht mehr machbar.“
Aus Gesprächen mit der LAG der Freien Wohlfahrtspflege und den Vereinen vor Ort wissen wir, dass zusätzliche Mittel erforderlich sind, um die vorhandene Struktur zu erhalten. Es ist bereits zu Schließungen von Betreuungsvereinen gekommen. Weitere Träger erwägen, sich aus dem Bereich der rechtlichen Betreuung zurückzuziehen. Diese Hilferufe müssen und wollen wir ernst nehmen. Wir wollen die vorhandenen Strukturen stärken und zukunftsfest machen, indem wir die Mittel für die Betreuungsvereine erhöhen werden.
Die Betreuungsvereine und Ihre Expertise sind unverzichtbar. Sie sind wichtige Ansprechpartner für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, aber auch für Angehörige. Sie beraten und unterstützen mit großem Engagement. Sie sind die Ansprechpartner und Experten vor Ort. Gerade im Flächenland Niedersachsen ist dieses dezentrale Angebot äußerst wichtig.
An dieser Stelle gestatten sie mir einen Hinweis an den Finanzminister, lieber Herr Minister Reinhold Hilbers, aber auch an die Haushaltspolitiker der Fraktionen:
Wir brauchen weiterhin das bewährte Nebeneinander von Betreuungsvereinen und Berufsbetreuern. Denn ohne das Engagement der Vereine müssten viele Betreuungsfälle, die derzeit ehrenamtlich und über die Vereine betreut werden, künftig von Berufsbetreuern übernommen werden, was letztlich den Landeshaushalt deutlich höher belasten würde.
In der letzten Legislatur haben wir gemeinsam dafür gestritten, dass die Betreuervergütung auf Bundesebene angehoben wird. Davon hätten Vereine und Berufsbetreuer gleichermaßen profitiert. Der Bundestag hatte eine rechtstatsächliche Untersuchung beauftragt und sich daran anknüpfend auf eine Erhöhung verständigt. Diese ist aber letztlich – ich hatte es bereits erwähnt – im Bundesrat gescheitert. Anknüpfend an die Beschlüsse der letzten Legislaturperiode wollen wir uns weiterhin stark machen für eine Erhöhung der Betreuervergütung. Dazu verhält sich Ziffer 4 des Antrages.
Die heute geltenden Sätze wurden 2005 festgelegt. Seither hat es keine Erhöhung gegeben, aber die meisten anderen Kosten, wie etwa Fahrt-, Porto- oder Energiekosten sind gestiegen. Dass ein Anpassungsbedarf besteht, ist evident.
Viele Betreuungsvereine im Land benötigen möglichst zeitnah Unterstützung. Deshalb fordern wir unter Ziffer 3 der vorliegenden Entschließung die Erhöhung der Mittel für die sogenannte Querschnittaufgabe. Denn dort kann das Land, können wir direkt in eigener Zuständigkeit handeln.
Neben einer Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Vereine wollen wir deren Arbeit durch weitere Maßnahmen stärken und zwar:
- Durch die Bündelung von Zuständigkeiten für das Betreuungswesen im Justizministerium.
Bislang ist das MJ zuständig für die Berufsbetreuer und die Betreuungsgerichte, das MS für die Betreuungsvereine. Die Zuständigkeit wollen wir im MJ zusammenfassen. Es ist sinnvoll, wenn es einen Ansprechpartner für das Betreuungswesen gibt. Dies erleichtert Abstimmungsprozesse unter den Akteuren, stärkt so die rechtliche Betreuung. Dass die Unterstützung künftig aus einer Hand erfolgt, wird auch von den Vereinen und Verbänden unterstützt.
- Dadurch, dass wir den bereits in der letzten Legislatur mit der gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen auf den Weg gebrachten Aktionsplan voranbringen.
Dabei geht es darum unter Beteiligung aller Akteure Themen wir Qualitätssicherung, Qualifizierung, Verzahnung von Berufsbetreuern und Betreuungsvereinen voranzubringen, auch mit dem Ziel, unnötige Betreuungen zu vermeiden und damit das selbstbestimmte Lebens zu stärken.
Ich appelliere an alle Fraktionen und die Landesregierung, sich gemeinsam mit uns dafür einzusetzen, dass wir die so wichtige Arbeit der Betreuungsvereine unterstützen und die rechtliche Betreuung nachhaltig stärken.
Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.