Erste Beratung
Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Rechts der richterlichen Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität der Justiz
Gesetzentwurf der Landesregierung – Drs. 18/4394
Es gilt das gesprochene Wort.
„Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält im Wesentlichen Regelungen zur richterlichen Mitbestimmung, zu weiteren Flexibilisierungen der Dienstzeit und zur Neutralität der Justiz.
Der Gesetzentwurf stärkt die Mitbestimmung der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen, enthält eine Ausweitung von Mitbestimmungsrechten. Dies wird von der SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßt.
Die Ergebnisse einer umfassenden Evaluation der bisherigen Regelungen zur richterlichen Mitbestimmung sind in den Gesetzentwurf eingeflossen. Mit der Neuregelung vollziehen wir im Richterbereich das nach, was wir in der letzten Legislaturperiode bereits mit der Novellierung des Personalvertretungsrechts für die anderen Beschäftigten auf den Weg gebracht haben, soweit die Regelungen auf Richterinnen und Richter übertragbar sind. Der Gesetzentwurf trägt insbesondere der fortschreitenden Budgetierung in der Justiz Rechnung getragen, u.a. mit der Einführung des Budgetrates.
Ich will an dieser Stelle nicht alle Änderungen nennen. Mit der Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften werden wir uns im Ausschuss beschäftigen.
Mit der Einführung des sogenannten Freijahrs bzw. sabbatical erhalten nun auch Richterinnen und Richter die Möglichkeit, bis zu einem Jahr ununterbrochen vom Dienst freigestellt zu werden. Wenn wir als Land ein moderner und attraktiver Arbeitgeber sein wollen, brauchen wir solche Regelungen. Dies ist wichtig im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern. Wir erreichen so ferner eine Gleichbehandlung der Richterinnen und Richter mit den anderen Landesbediensteten, für die bereits eine ähnliche Regelung besteht.
Grundsätzlicher ist die Frage, ob es erforderlich und sinnvoll ist, zur Wahrung der Neutralität der Justiz religiöse, weltanschauliche und politische Symbole im Gerichtssaal zu verbieten. Diese Frage wird in Deutschland schon länger diskutiert. Einige Länder haben bereits entsprechende Regelungen eingeführt und auch die Verfassungsgerichte haben sich mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit solcher Regelungen beschäftigt.
Die Neutralität der Justiz hat Verfassungsrang. Und dies nicht ohne Grund: Die Überzeugungskraft richterlicher Entscheidungen beruht nicht nur auf ihrem Inhalt und ihrer juristischen Qualität, sondern darüber hinaus auch ganz entscheidend auf dem Vertrauen, das den Richterinnen und Richtern von der Bevölkerung entgegengebracht wird.
Es sollte bereits im Ansatz der Verdacht vermieden werden, dass ein Richter sich nicht unparteiisch gegenüber einer Person verhält. Das Tragen von religiösen oder anderen Symbolen kann den Eindruck einer Bevor- oder Benachteiligung erwecken und so zu einem Akzeptanzverlust in der Öffentlichkeit führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn z.B. religiöse Fragen Gegenstand eines Rechtsstreits sind bzw. diesen überlagern.
Zum Regelungsinhalt der Vorschrift: Die Regelung gilt nicht nur für Richter und Staatsanwälte, sondern auch für andere Personen, die eine ihr oder ihm obliegende oder übertragene richterliche oder staatsanwaltliche Aufgabe wahrnehmen, etwa für Rechtspfleger und Schöffen. Dabei ist die Regelung beschränkt auf Amtshandlungen in direktem Kontakt mit justizfremden Dritten.
Das Verbot gilt generell und ist nicht lediglich auf einen Anlass bzw. einen konkreten Konflikt bezogen. Eine im Nachgang ansetzende Regelung könnte einen bereits eingetretenen Vertrauensverlust nicht heilen, ist daher untauglich und im Übrigen wenig praktikabel.
Es gibt aktuelle Entscheidungen des BVerfG und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Beide Gerichte haben eine ähnliche Regelung in Bayern als verfassungskonform angesehen. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dürften daher nicht bestehen.
Das Verbot ist unstreitig ein Eingriff in die Religionsfreiheit der betroffenen Richterin oder des betroffenen Richters, berührt andere Grundrechte wie die Berufsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Grundrechte finden aber ihre immanenten Grenzen durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtspositionen.
Wenn sich mehrere Güter von Verfassungsrang gegenüberstehen, sind diese miteinander abzuwägen und möglichst zu einem Ausgleich zu bringen.
Als kollidierendes Verfassungsrecht ist hier zunächst die negative Religionsfreiheit der Prozessbeteiligten zu nennen, nämlich die Freiheit, einem nicht geteilten Glauben fernzubleiben. Dies gilt insbesondere, wenn der Einzelne durch eine vom Staat geschaffene Lage ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens oder seiner Symbole ausgesetzt wird.
Wegen der für die Verfahrensbeteiligten bestehenden Pflicht zur Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung liegt eine solche „unausweichliche Situation“ vor.
Ein weiteres kollidierendes Verfassungsrecht, das vorliegend als eine Einschränkung der Religionsfreiheit rechtfertigt, ist der Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates.
Das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität gilt in besonderer Weise im Bereich der Justiz gilt. Der Staat ist verpflichtet, für eine funktionsfähige Rechtspflege zu sorgen. Dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Daher gelten für die Justiz andere Maßstäbe als etwa im Schulbereich.
Ich will noch auf eine vermeintliche Ungleichbehandlung eingehen: Das Kreuz im Gerichtssaal. Dies betrifft bekanntlich zwei Amtsgerichte in Niedersachsen, nämlich Cloppenburg und Vechta.
Der Bayerischen Verfassungsgerichtshofs hat in einer Entscheidung aus März 2019 entschieden, dass es sich beim Tragen von religiösen Symbolen durch Amtsträger und dem Anbringen solcher Symbole im Gerichtssaal ersichtlich um unterschiedliche Sachverhalte handelt.
Die Ausstattung von Verhandlungsräumen sei Angelegenheit der Gerichtsverwaltung und anders als das Tragen von Symbolen nicht geeignet, Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des einzelnen Amtsträgers hervorzurufen.
Auch wenn ich persönlich der Auffassung bin, dass wir auf Kreuze in Gerichtssälen verzichten können und dies auch sollten, gibt es einen wesentlichen Unterschied. Anders als beim im Gerichtssaal angebrachten Kreuz haben wir bislang keine Handhabe beim Tragen religiöser Symbole durch Richterinnen und Richter.
Bereits in den 70er Jahren hat das BVerfG entschieden, dass niemand gezwungen werden darf, entgegen seiner eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen „unter dem Kreuz“ einen Rechtsstreit zu führen.
Eine Regelungslücke bzw. ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf sind mithin nicht gegeben.
Vielen Dank! Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.