Es gilt das gesprochene Wort
TOP 24 des Februarplenums:
Niedersachsen soll Vorreiter bei der regelmäßigen Berichtslegung
über die Kriminalitätslage werden (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
Der Vorschlag der Grünen hat aus unserer Sicht einige Schwächen und das ist der wesentliche Grund für uns, den Antrag abzulehnen: Aufwand und Nutzen stehen in keinem angemessenen Verhältnis.
In dieser Einschätzung sind wir nicht allein. Das Justizministerium hat eine Länderabfrage gemacht und darüber mit dem Ergebnis unterrichtet, dass die breite Mehrheit der anderen Bundesländer auch nicht über ein Berichtswesen verfügt, wie es die Grünen vorgeschlagen haben, es auch dort große Zurückhaltung gibt.
Mit der Einführung einer regelmäßigen Berichtslegung zur Kriminalitätslage würden wir nach meiner Auffassung Parallelstrukturen zu den bereits vorhandenen Statistiken schaffen. Mit der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik und der Strafverfolgungsstatistik haben wir bereits gute Instrumente an der Hand, die aussagekräftig sind und eine gute und solide Entscheidungsgrundlage darstellen.
In den letzten Jahren hat sich einiges getan. Ich will hinweisen auf die die jährlichen Lagebilder zur organisierten und zur politisch motivierten Kriminalität. Ferner wird die PKS fortlaufend angepasst, um Schwächen zu beheben und aktuellen Informations-bedürfnissen nachzukommen. Zudem führt die Polizei nach Bedarf Erhebungen zur Kriminalitätslage einschließlich des Dunkelfeldes durch. Der Polizeiliche Informations- und Analyseverbund ermöglicht länderübergreifende Betrachtungen anhand aktueller Daten. Schließlich kommt moderne Software wie PreMAP (Predictive Policing Mobile Analytics for Police) zum Einsatz. Diese Software, die zunächst zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen entwickelt wurde, ermöglicht tagesaktuelle und deliktsorientierte Auswertungen.
Wir halten es für richtig, an dieser Stelle weiterzuarbeiten. Wir wollen die bestehenden Instrumente noch besser machen, statt ein zusätzliches Instrument zu schaffen. Mit Boris Pistorius haben wir einen Innenminister, der in diesem Bereich bereits viel umgesetzt hat und mit seinem Haus hier weiter vorangehen wird.
Der Vorschlag der Grünen hat daneben aber auch Schwächen. Der Berichtszeitraum von 2 Jahren passt nicht in die bestehende Systematik, führt zu Problemen bei der Vergleichbarkeit mit bestehenden Statistiken. Ferner wäre die Berichtslegung nicht aktuell, was ihren Mehrwert in Frage stellt, jedenfalls aber einschränkt.
Und nun zum Aufwand: Auf meine Nachfrage im Ausschuss wurde mitgeteilt, dass die Bundestagsfraktion der Grünen in ihrem Antrag, mit dem eine Berichtslegung auf Bundesebene eingefordert wird, die Kosten mit 2 Mio. € angegeben haben. Nach Einschätzung des Ministeriums sei dies nicht zu hoch gegriffen. Für Niedersachsen sprechen wir also mindestens von mehreren 100.000,00 € jährlich. Dies ist eine Menge Geld.
Das Geld haben wir nicht im Justizhaushalt. Und für die kommenden Haushalte haben wir als SPD eine andere Schwerpunktsetzung im Justizbereich. Wir wollen – wie in den Vorjahren – unseren Rechtsstaat stärken, indem wir mehr Stellen für die Justiz einwerben und in die Ausstattung der Justiz investieren. Hier geht es also auch um die Frage der Prioritätensetzung.
Ich will zugestehen, dass es bei der Interpretation und Auslegung von Statistiken zu Fehlern kommt und dies gilt natürlich auch für die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik. Teils geschieht dies versehentlich, teils aber auch bewusst. Dies wird sich unserer Überzeugung nach aber auch nicht durch eine neue Statistik bzw. Berichtslegung ändern lassen.
Ich bin überzeugt, dass es besser ist, die bestehenden Instrumente und Statistiken zu verbessern und noch wichtiger ist eine wissenschaftliche Begleitung. Zur Einordnung der Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik stehen mittlerweile weitere Instrumente zur Verfügung. Darauf hatte ich hingewiesen. Im Übrigen können wir zurückgreifen auf wissenschaftliche Analysen, die eine bessere Einordnung und Bewertung des Zahlenmaterials ermöglichen. Hier ist Niedersachsen gut aufgestellt mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut (KFN) und der Kriminologischen Zentralstelle.
Auch die besten Statistiken sind nicht davor gefeit, dass sie durch bewusste Fehlinterpretation dazu eingesetzt werden, zur Begründung von Positionen genutzt zu werden. Einen besonders krassen Fall hat der Kollege Limburg im Ausschuss angesprochen, nämlich den Versuch der AfD, die Krankenhausmorde des Niels Högel und die damit einhergehende Erhöhung der Mordfälle in der Polizeistatistik den Flüchtlingen zuzuschreiben. Das ist unanständig. Damit verhöhnen Sie von der AfD die Opfer des Niels Högel. Mit bewussten Fehlinformationen hetzen Sie die Menschen auf, bereiten Hass, Hetze und Gewalt den Boden und versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten. Dies ist unerträglich und hier sind alle – Politik und Gesellschaft – in der Pflicht, dagegen zu halten.
Ein weiterer Aspekt über den wir im Ausschuss gesprochen haben, ist eine beunruhigende Entwicklung. Obgleich die Zahl der Straftaten kontinuierlich zurückgeht, fühlen sich viele Menschen unsicher. Das subjektive Sicherheitsempfinden und die tatsächliche Kriminalitätslage haben sich sehr stark auseinanderentwickelt. Dies hat aus meiner Sicht mit einer veränderten Berichterstattung in den Medien, aber insbesondere auch mit den sozialen Medien zu tun.
Im Ausschuss wurde seitens MI berichtet über die von der Polizei eingestellten sogenannten Social-Media-Manager. Darüber sei die Polizei in diesen Medien präsent, könne gezielt gegen Fehlinformationen vorgehen und zu einer Versachlichung beitragen. Dies ist ein gutes Instrument, deren Einsatz wir auch in anderen Bereichen prüfen sollten, denn die Debatte in den sozialen Netzwerken dürfen wir nicht den Scharfmachern überlassen.
Wir werden den Antrag der Grünen ablehnen. Der Mehrwert, der vorgeschlagenen Berichtslegung ist überschaubar. Die Kosten hingegen sind hoch, so dass Aufwand und Nutzen nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Wir setzen darauf die bestehenden Instrumente und Statistiken weiterzuentwickeln. Daneben geht es um eine bessere Öffentlichkeitsarbeit – gerade auch in den sozialen Netzwerken – und um die Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Analyse und Bewertung von Kriminalitätslagen und – phänomenen.