Rede von Ulf Prange zum Gesetzentwurf zur Anpassung des Rechts der richterlichen Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität der Justiz

Es gilt das gesprochene Wort

TOP 8 des Maiplenums:

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Rechts der richterlichen
Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität der Justiz (Gesetzentwurf der Landesregierung)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

mit dem Gesetz werden die Mitbestimmungsrechte der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen gestärkt. Es werden neue Mitbestimmungstatbestände geschaffen, z.B. bei Entlassung wegen Dienstunfähigkeit und bei Teilnahme am mobilen Arbeiten; die Benehmenstatbestände werden ausgeweitet, z.B. hinsichtlich der Aufstellung von Stellenplänen und dem Abschluss von Zielvereinbarungen.

Ferner wird ein Interessenbekundungsverfahren eingeführt, das mehr Transparenz bei Auswahlentscheidungen im Vorfeld von Beförderungen schafft, etwa bei Erprobungen. Die Einführung eines Budgetrates trägt der fortschreitenden Budgetierung in der Justiz Rechnung.

Die Neuregelungen gehen zurück auf eine umfassende Evaluation der bisherigen Regelungen zur richterlichen Mitbestimmung. Mit dem Gesetz übernehmen wir ferner Regelung aus der Novellierung des Personalvertretungsrechts, soweit die Regelungen auf den Richterbereich übertragbar sind.

Die Regelungen zur Mitbestimmung waren in den Ausschussberatungen im Wesentlichen unstreitig. Die Grünen haben einen Tag vor der abschließenden Beratung im Ausschuss noch den Vorschlag eingebracht, Schöffenvertretungen einzuführen, wie es sie für Teile der Fachgerichtsbarkeit bereits gibt. Dieser Vorschlag kam so kurzfristig, dass er letztlich nicht mehr berücksichtigt werden konnte.

Mit der Einführung des sogenannten Freijahres bzw. sabbatical erhalten nun auch Richterinnen und Richter die Möglichkeit, bis zu einem Jahr ununterbrochen vom Dienst freigestellt zu werden. Die Anregung aus der Anhörung, die Altersgrenze von 59 Jahre auf 62 Jahre zu erhöhen, haben wir aufgegriffen. Mit der Einführung des Freijahres erreichen eine Gleichbehandlung der Richterinnen und Richter mit den anderen Landesbediensteten, für die bereits eine ähnliche Regelung besteht.

Zur Stärkung der Neutralität der Justiz werden wir religiöse, weltanschauliche und politische Symbole im Gerichtssaal verbieten. Zum Regelungsinhalt der Vorschrift: Die Regelung gilt nicht nur für Richter*innen und Staatsanwälte*innen, sondern auch für andere Personen, die eine ihr übertragene richterliche oder staatsanwaltliche Aufgabe wahrnehmen, etwa für Rechtspfleger, Referendare und Schöffen. Dabei ist die Regelung beschränkt auf Amtshandlungen in direktem Kontakt mit justizfremden Dritten.

Die Neutralität der Justiz hat nicht ohne Grund Verfassungsrang. Die Überzeugungskraft richterlicher Entscheidungen und damit letztlich auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beruhen ganz entscheidend auf dem gesellschaftlichen Vertrauen in die Justiz. Es sollte bereits im Ansatz der Eindruck vermieden werden, dass Richter*innen nicht unparteiisch sind. Das Tragen von religiösen oder anderen Symbolen kann zu einem Akzeptanzverlust in der Öffentlichkeit führen.

Einige Länder haben bereits entsprechende Regelungen eingeführt. Diese Verbote werden in Deutschland kontrovers diskutiert. Zu dem Fall einer hessischen Rechtsreferendarin (2 BvR 1333/17) hat das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres entschieden, dass der Gesetzgeber Rechtsreferendarinnen verbieten darf, bei ihrer praktischen Ausbildung im Gerichtssaal religiöse Symbole zu tragen. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben wir nun Rechtssicherheit. Der rechtliche Handlungsrahmen ist höchstrichterlich geklärt.

Das Verbot, Symbole zu tragen, greift zwar in die Glaubensfreiheit des einzelnen Amtsträgers ein. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kommen zur Rechtfertigung des Eingriffs die staatlichen Pflicht zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität, die negative Glaubensfreiheit der am Gerichtsverfahren beteiligten Personen und der Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege in Betracht.

In der Justiz tritt der Staat dem Bürger klassisch-hoheitlich gegenüber. In Bezug auf die negative Religionsfreiheit liegt wegen der für die Verfahrensbeteiligten bestehenden Pflicht zur Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung eine „unausweichliche Situation“ vor.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zeigt der Staat durch die Verpflichtung zum Tragen einer Amtstracht – die sogenannte Robenpflicht – und die strenge prozessuale Regelung der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Handlungen, dass es ihm auch auf das äußere Gepräge der Amtshandlungen ankomme. In einem solchem Zusammenhang könnten ihm Glaubensbekundungen einzelner Amtsträger eher zugerechnet werden als in staatlichen Bereichen wie etwa in der Schule.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verhält sich zu Berufsrichtern, Staatsanwälten und Referendaren. Ob ein Verbot in Bezug auf Schöffen zulässig ist, hat das BVerfG nicht geklärt. Da diese aber an der Rechtsprechung mitwirken, gehe ich davon aus, dass die Rechtsprechung auf Schöffen übertragbar ist.

Ich will noch auf eine vermeintliche Ungleichbehandlung eingehen: Das Kreuz im Gerichtssaal. Dies betrifft bekanntlich zwei Amtsgerichte in Niedersachsen, nämlich Cloppenburg und Vechta. An dieser Stelle möchte ich zunächst auf den besonderen historischen Hintergrund hinweisen. 1936 fand  im Oldenburger Münsterland der sogenannte Kreuzkampf statt. Dies war ein öffentlicher Protest gegen die auch Kreuzerlass genannte Weisung des Nazi-Regimes, Kreuze aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Im Zusammenhang mit dem Kreuzkampf kam es zu Inhaftierungen durch die Nazis.

Bereits in den 70er Jahren hat das BVerfG entschieden, dass niemand gezwungen werden darf, entgegen seiner eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen „unter dem Kreuz“ einen Rechtsstreit zu führen.

An den beiden Gerichten hat sich eine entsprechende Praxis herausgebildet. Die Kreuze werden auf Wunsch eines Prozessbeteiligten abgehängt Diese Handhabe funktioniert in der Praxis.

Auch wenn ich persönlich der Auffassung bin, dass auf Kreuze in Gerichtssälen grundsätzlich verzichtet werden sollte. Aus den gesagten Gründen kann ich nachvollziehen, dass dies an den beiden genannten Gerichten anders gehandhabt wird, halte dies für richtig.

Beim Tragen von religiösen oder anderen Symbolen durch Amtsträger und dem Anbringen religiöser Symbole im Gerichtssaal handelt es sich ersichtlich um unterschiedliche Sachverhalte. Die Ausstattung von Verhandlungsräumen ist Angelegenheit der Gerichtsverwaltung. Das Verbot des Tragens von religiösen oder anderen Symbolen ist ein Eingriff in die Grundrechte des Amtsträgers.

Auf meine Nachfrage bei der Gesetzesberatung im Ausschuss hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst ausdrücklich bestätigt, dass es für das Entfernen eines Wandkreuzes keiner gesetzlichen Grundlage bedarf.

Es gibt also hinsichtlich der Kreuze im Gerichtssaal keine Regelungslücke und mithin auch keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

Die Fraktionen von SPD und CDU haben noch drei ergänzende Regelungen eingebracht: Die Berufsbezeichnung des Justizhelfers wird durch den Begriff Justizangestellte im Wachtmeisterdienst ersetzt. Wir haben eine Neuregelung zur Festlegung der Anzahl der Kammern bei den Arbeitsgerichten eingebracht, die durch eine Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes erforderlich geworden ist. Schließlich ändern wir das Hinterlegungsgesetz dahingehend, dass die Verzinsung bei Hinterlegungen wegfällt.

Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzesentwurf zustimmen. Vielen Dank!