Rede von Ulf Prange zum Antrag der FDP Die Haftentschädigung muss erhöht werden! – Spezielle Betreuungsangebote einführen! und zum Antrag von SPD und CDU – Zu Unrecht Verurteilte effektiv bei der Wiedereingliederung unterstützen!

Es gilt das gesprochene Wort

Top 37 des Septemberplenums
a) Die Haftentschädigung muss erhöht werden! – Spezielle Betreuungsangebote einführen!  – Antrag der Fraktion der FDP – Drs. 18/151

b) Zu Unrecht Verurteilte effektiv bei der Wiedereingliederung unterstützen! – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU – Drs. 18/10953

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für ein Verbrechen verurteilt zu werden, das man nicht begangen hat – dies ist für uns alle, für alle Menschen, ein schrecklicher Gedanke. Aber trotz aller Sorgfalt der Gerichte kann es zu solchen Justizirrtümern kommen; denn Recht wird von Menschen über Menschen gesprochen, und Menschen machen Fehler.

Der Rechtsverlust durch die Freiheitsentziehung ist absolut. Er kann nicht rückgängig gemacht werden. Umso wichtiger ist es, dass der Rechtsstaat sich um die Menschen kümmert, die zu Unrecht inhaftiert waren, sie angemessen entschädigt, ihnen unbürokratisch hilft und ihnen den Weg zurück in die Gesellschaft ermöglicht.

Wir haben uns im Ausschuss intensiv mit der Studie „Rehabilitation und Entschädigung nach Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und erfolgreicher Wiederaufnahme“ beschäftigt, die von der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden erstellt worden ist. Dort gab es ganz klare Empfehlungen, die an die Politik auf Bundes- und Landesebene adressiert worden sind, und zwar dahin gehend, dass es zu Verbesserungen kommen muss.

Dabei geht es zum einen ‑ das ist schon angesprochen worden ‑ um die Haftentschädigung. Sie ist von 25 Euro auf 75 Euro erhöht worden. Aus Niedersachsen heraus haben wir uns dafür eingesetzt, dass das passiert. Wir hatten für die Haftstrafen sogar eine höhere Entschädigung von 100 Euro gefordert. Es ist gut, dass die Entschädigung jetzt angemessen ist – wobei man eine Freiheitsstrafe natürlich mit Geld nicht entschädigen kann. Insofern ist das ein Stück weit auch eine symbolische Entschädigung.

Die andere Frage ist ‑ und da sind wir als Landesgesetzgeber und Land in der Pflicht ‑: Wie können wir Strukturen schaffen, die den Betroffenen helfen und es ihnen ermöglichen, wieder in die Gesellschaft zurückzufinden? Dazu haben wir hier drei Punkte formuliert.

Wir wollen die Straffälligenhilfe nutzen, die die Expertise hat und über gute Netzwerke verfügt, mit denen sie Straffälligen hilft. Es ist in der Tat schwierig, dass man Menschen, die zu Unrecht in Haft waren, jetzt aufgibt oder vielleicht auch zumutet, zu einer solchen Stelle zu gehen. Deswegen wollen wir das so organisieren, dass es ein aufsuchendes Angebot ist, dass also die Mitarbeitenden der Straffälligenhilfe auf die Menschen zukommen.

Wir werden eine Schnittstelle bei dem freisprechenden Gericht einrichten, um sicherzustellen, dass das Angebot auch schnell bei den Menschen ist. Denn es ist in der Tat so, dass das ‑ anders als bei Strafhaft, wo man ja über das Übergangsmanagement auf die Zeit nach der Haft vorbereitet wird ‑ relativ kurzfristig geschieht. Da muss natürlich auch schnell das Hilfsangebot vermittelt werden.

Ein letzter Punkt ist die Rehabilitation. Menschen haben eine Lücke in ihrem Lebenslauf, wenn sie in Haft waren. Bislang war es so, dass man nur das freisprechende Urteil hatte, mit dem man diese Lücke im Lebenslauf darstellen konnte. Das ist natürlich schwierig, auch im Hinblick auf z. B. Gespräche mit künftigen Arbeitgebern. Deswegen ist es sinnvoll, dass wir ein Bestätigungsschreiben haben werden, das das MJ diesen Menschen zur Verfügung stellt, mit dem sie dann hoffentlich eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.

Ich glaube, dass wir mit diesen drei Punkten die Situation verbessern werden. Wir müssen dann in der Zukunft schauen, ob das klappt und ob das ausreichend ist. Wir müssen es evaluieren und gegebenenfalls nachbessern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.